inkl. Mastermesse:

Pre Opening 2014: Vom Sinn in der Arbeit

Zur Person

TATJANA SCHNELL ist assoziierte Professorin an der Universität  Innsbruck, wo sie die Empirische Sinnforschung leitet. Nach ihrem Studium in Göttingen, London, Heidelberg und Cambridge (UK) promovierte sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Trier. Seit 2005 ist sie als Persönlichkeits- und Differentielle Psychologin am Institut für Psychologie in Innsbruck tätig. Neben grundsätzlichen Fragen der Konzeptualisierung und Erfassung von Lebenssinn publiziert und diskutiert sie praktische Konsequenzen der Sinnforschung in persönlichen, beruflichen, institutionellen und gesellschaftlichen Kontexten.

basics: Wie sind Sie zum Thema Sinnforschung gekommen?

Tatjana Schnell: Ursprünglich bin ich über die Frage, warum heutzutage so viele Menschen nicht mehr in der Kirche sind, die ja als die Sinnstiftungsinstitution schlechthin gilt, auf das Thema gekommen. Da wir dennoch keine weitverbreitete Sinnkrise haben, habe ich mich gefragt, was denn an die Stelle der Kirche getreten ist und den Menschen Sinn gibt und sie trägt. Dieser Frage bin ich ganz genau auf den Grund gegangen. Herausgekommen ist eine ganz interessante Zusammenstellung von Bedeutungen, die man dem Leben gibt. Die Empirik hat sich hier als das tauglichste Instrument erwiesen.

basics: Worauf darf sich der interessierte Zuhörer bei ihrem Vortrag mit dem Titel „Vom Sinn der Arbeit – Denn sie wissen nicht (mehr), was sie tun“ beim Pre Opening einstellen?

Schnell: In den letzten Jahren stellen sich immer mehr Menschen Fragen wie: Was soll das überhaupt? Was mache ich überhaupt hier? Man kann hier eine Parallelität zur Finanzkrise sehen und das damit erklärt, dass die Arbeit ihren Wert verloren hat. Das Werk an sich, also das, was man tatsächlich tut und schafft, hat einen Bedeutungsverlust erlitten. Nicht, dass man ein gutes Brot bäckt, ein schönes und funktionales Kleidungsstück herstellt, steht im Vordergrund, sondern: ob man in diesem Jahr mehr davon verkauft hat als im letzten, ob die Produktionskosten reduziert werden konnten und der Gewinn gesteigert wurde. Durch diesen Imperativ des ‚Mehr!‘ rückt die Bedeutung der Qualität leicht in den Hintergrund – und somit auch das Erleben von Sinnhaftigkeit bei der Herstellung.

basics: Ist der Mensch in der heutigen Ökonomie nur ein Kostenfaktor oder gibt es eine Besinnung auf das Arbeitnehmerwohl und die Schaffung einer Unternehmenskultur?

Schnell: Immer mehr Unternehmen merken, dass Sie sich mehr auf die Arbeitnehmer einstellen müssen, unter anderem auch, weil diese Generation Y neue Ansprüche hat und sich auch nicht mehr so leicht ausbeuten lässt. Es gibt zugleich auch immer mehr Manager, die sagen, ihnen macht es so auch keinen Spaß und sie sehen auch keinen Sinn darin. Aber das große Umdenken scheint mir noch nicht stattgefunden zu haben. Unternehmen verweisen oft auf systemimmanente Sachzwänge. Die stehen im Vordergrund, auch wenn Manager sagen, die Sinnfrage ist ganz ganz wichtig, wird den harten Zahlen letztlich Priorität eingeräumt.

basics: Ihre Forschung hat ergeben, dass ein Drittel der Menschen in „existenzieller Indifferenz“ lebt, sich also mit der Sinnfrage gar nicht erst beschäftigt. Hat Sie diese Zahl überrascht?

Schnell: Da war ich sehr überrascht, weil ich das so nicht erwartet habe. Wir haben uns gedacht, das sind dann wohl hauptsächlich Jugendliche, die noch nicht wissen, was und wohin sie wollen. Tatsächlich betrifft diese Indifferenz Jugendliche nur geringfügig häufiger als Erwachsene. In Gesprächen habe ich dann öfter von Tagesabläufen wie diesem gehört: Ich arbeite, dann gehe ich nach Hause und schaue Fern, dann schlafe ich und dann gehe ich wieder arbeiten. Den größeren Sinn dahinter zu suchen, das ist schon etwas viel verlangt. Wo soll der schon herkommen?

basics: Eine doch sehr fatalistische Einstellung. Manchen Berufsgruppen wird auch ein gewisser Berufszynismus nachgesagt. Verhindert ein solcher die Sinnfindung im Beruf?

Schnell: Der Zynismus ist in der Tat gefährlich, wenn es um Sinnerleben im Beruf geht. Man merkt oft, dass Unternehmen sich viel auf die Fahnen heften, und das dann aber gar nicht leben. Im Englischen sagt man, „they don‘t walk the talk“. Und das ist wesentlich schlimmer, als wenn man als Unternehmen gar keine Werte vorgibt. Wenn Erwartungen frustriert werden, entsteht Zynismus, und dieser wirkt sich wiederum schädlich auf das Arbeitsengagement aus und hat letzten Endes auch negative Auswirkungen auf die Unternehmen selbst.

basics: Was können Unternehmen tun, um eine Atmosphäre und Unternehmenskultur zu schaffen, die Sinnstiftung begünstigt?

Schnell: Diese Frage ist schwieriger zu beantworten als etwa jene nach Maßnahmen für die Arbeitnehmergesundheit. Sinn erleben kann man nicht implementieren, es findet immer in einem Kontext statt. Und wenn dieser Kontext nicht stimmt, kann man das auch nicht in den Arbeitnehmern installieren. Das ganze Unternehmen muss sich dessen bewusst werden, was es tut, den Sinn der Arbeit freilegen und die vorgegebenen Werte auch leben. Das kann aber unter Umständen bedeuten, dass sich das Unternehmen in gewissen Situationen gegen den Profit und für den Arbeitnehmer entscheiden muss. Den Arbeitnehmern muss andererseits wieder bewusst gemacht werden, welchen Stellenwert ihre Leistung im Unternehmen hat. Wenn Mitarbeitern bewusst wird, welche Bedeutung ihre Tätigkeithat – für die Kollegen, mit denen man zusammenarbeitet, für das letztendliche Produkt, für die Kunden – dann wird der Sinn der Arbeit wieder deutlich. Das hat einerseits mit Wertschätzung zu tun, andererseits auch damit zu vermitteln, was das größere Ganze hinter der „kleinen“ eigenen Arbeit ist.

basics: Ist die berufliche Sinnsuche ein Wohlstandsphänomen, das nur prominent hervortritt, weil elementarere Bedürfnisse befriedigt sind?

Schnell: In Gesellschaften, wo es keinen großen Wohlstand gibt, ist es häufig noch viel klarer, warum und wofür man arbeitet. Da kommt die Sinnfrage gar nicht so auf. Bei uns kommt sie auch auf, weil wir nicht nur sein können, sondern immer mehr werden müssen, unsere Employability steigern, uns weiterbilden und besser werden. Das Sein, das Arbeiten, das gut Schaffen können, ist verlorengegangen. Ich denke also nicht, dass es Luxus ist, sich die Sinnfrage zu stellen, sondern der Luxus diese Frage in gewisser Weise erst aufwirft.

basics: Unsere Gesellschaft ist eine konsumorientierte, wenn nicht gar konsumistische. Daher drängt sich die Frage auf, ob man Glück und Lebenssinn nicht auch kaufen kann?

Schnell: Dazu gibt es relativ eindeutige Studien. Wenn man seinen Sinn daraus bezieht, Dinge zu kaufen, dann hat man sie, und sobald man sie hat, tritt ein Phänomen ein, dass man hedonistische Adaptation nennt. Nach kurzer Zeit wird es schon so normal, etwas zu besitzen, dass wir schon nach dem Nächsten schauen. Eine grundlegende Befriedigung ist jedoch nie da. Konsum heißt für uns heute, immer mehr und immer besser, die Befriedigung durch Konsum ist also ausgeschlossen. Sinn entsteht, wenn man Dinge tut. Durch das Haben allein geschieht noch nichts. Das Aktiv werden, das sich involvieren, das Mitmachen, das Partizipieren in verschiedenen Kontexten ist eigentlich das, was letztendlich dazu führt, dass wir das Gefühl haben, etwas ist sinnvoll. Nur durch das Besitzen stellt sich kein Sinnerleben ein.

basics: Unterscheiden sich Männer und Frauen in den Quellen, aus denen sie ihren Lebenssinn beziehen?

Schnell: Wir können hier etwas beobachten, was es schon in der Antike gab. Männer gewinnen ihren Sinn sehr stark aus Selbstverwirklichung, während Frauen durch die Pflege von Beziehungen, die Dimension des Wir- und Wohlgefühls ihren Sinn beziehen. Diese Diskrepanzen zeigen sich auch im Arbeitsleben. Häufiger sind es die Männer, denen es um Karriere und Macht geht. Viele Frauen finden es wichtiger, dass ihr Beziehungsgeflecht gut funktioniert und investieren dementsprechend mehr in ihre Beziehungen. So lässt sich aucherklären, warum nicht so viele Frauen in Führungspositionen landen.