inkl. Mastermesse:

Pre Opening 2013: Die Kunst des Führens

Michael Lehofer, ärztlicher Leiter der Landesnervenklinik Sigmund Freud Graz, referierte im Rahmen des Pre Openings der CAREER & Competence über die Kunst des Führens – und das auf eine überaus kurzweilige und gleichzeitig erhellende Art und Weise.

ec8f0f0313

Eines wurde relativ bald klar an diesem Abend: Michael Lehofer redete sehr wenig über das Führen an sich – im technischen Sinne –, sondern viel mehr über den Menschen dahinter. Und genau das machte seinen Vortrag so angreifbar für die zahlreichen, geladenen Gäste.

Warum verbringen viele ein ganzes Leben mit sich selbst, ohne sich zu kennen?“, lautete die provokante Frage, mit der Lehofer den Einstieg in seinen Vortrag markierte. Eine Frage, die in Bezug auf das Thema Führen absolute Berechtigung hat, denn „das Instrument, mit dem man führt, ist man selbst“. Und diese schlichte und doch tiefgreifende Wahrheit war schlussendlich der rote Faden, der sich durch den Abend zog.

Anhand zahlreicher und anschaulicher Beispiele dokumentierte Lehofer seine Thesen, die sich im wesentlichen mit dem Selbst des Menschen befassten. „Wer führen will, muss an einer positiven Selbstwahrnehmung arbeiten“, so ein Argument, das gerade in Hinblick auf die Spiegeltheorie relevant ist: Das, was man nach außen vermittelt, zeigt und ausstrahlt, findet Wiederhall im Gegenüber.

Bestes Beispiel: Ein Mann, der unbedingt eine Frau kennenlernen will, wird, wie man weiß, vermutlich keine finden. Andere wiederum, die vielleicht gar nicht so gut aussehen wie Ersterer, haben diesbezüglich kein Problem. „Frauen spüren in diesem Beispiel die Bedürftigkeit. Die Bedürftigkeit des Mannes aktiviert in ihnen die eigene Bedürftigkeit. Und damit wollen sie nicht in Berührung kommen“, erklärt Lehofer. „Bin ich aber ein Mensch, der in sich ruht, der alles hat, was er im Wesentlichen braucht, dann spürt die Frau das Gefühl von Nähe, Geborgenheit. An diesem Beispiel kann man viel lernen.“

Denn Erfolg ist etwas, das sich einstellt, wenn man erfolgreich ist. Und natürlich ist es einfach, Erfolg zu haben, wenn das Leben ja zu einem sagt, aber was in einer Krise? „Hat man im Leben ein Misserfolgserlebnis – beruflich oder privat – muss man sofort damit beginnen, an sich zu arbeiten. Dann ist man der Erfolgstyp.“ Voraussetzung dafür ist, sich selbst zu spüren, sich selbst wahrzunehmen. Und das hat unterschiedlichste Facetten: „Führungskräfte gestehen sich beispielsweise Angst oft nicht zu. Angst ist aber Realität. Nicht umsonst sagt ein Sprichwort, dass der Feldherr der beste ist, der seine Angst regulieren kann. Bei Führungskräften ist das ähnlich.“

Dabei, so Lehofer, sei Angst ein sehr missverständliches Wort. „Angst ist eigentlich ein emotionales Signal, das die Vorstellungen von innen markiert, die eigenen Grenzen.“ Hat man etwa den Anspruch, klug zu sein, und in einer bestimmten Situation kann man diese Klugheit nicht zum Ausdruck bringen, hat man Angst. Und man tut gut daran, sich diese Angst einzugestehen – sie zu kennen und damit sich selbst.

Was würde es dann für eine Führungskraft bedeuten, keine Angst vor dem Führen zu haben? „Dieser Mensch weiß nichts von der Welt und ohne Angst ist man ein Totalversager.“

Einen Unterschied sieht Lehofer aber zur pathologischen Angst – Ängste, die man im Leben anhäuft und „die dazu führen, dass man keine Wahrnehmungskompetenz hat. Man ist dann nicht wirklich gut in Berührung mit dem Leben. Und wenn wir nicht mit dem Leben in Berührung sind, können wir schlecht führen, weil wir ja theoretisieren statt erfahren“. Der Kapitän muss aber alle Sinne ausgefahren haben, ansonsten wird das Steuern schwierig – und gefährlich.

Zudem kommt es auf die Instrumente an – setzt der Kapitän auf formale Autorität, wird das Schiff seinen Kurs nicht lange halten, sieht Lehofer doch den wahren Erfolgsgaranten in natürlicher Autorität. „Die formale Autorität arbeitet mit Angst, die natürliche nicht: Das sind Menschen, die besonders gut motivieren können – nicht mit einer Technik, sondern sie erfüllen unsere Grundbedürfnisse: Bindung, Selbstwirksamkeit, Lust und Selbstwert.“ Also im Grunde genommen deshalb gute Führungskräfte sind, weil sie in positive Beziehung treten können mit ihrem Gegenüber – es aus dem eigenen Selbst in seinem Sein stärken. Dafür aber gilt: sich selbst zu kennen – und das ist die größte Herausforderung, weil diese „Fähigkeit“ weiteste Kreise zieht. „Auch Liebe ist nichts anderes als eine totale Verbundenheit mit sich selbst: Sie ermöglicht, andere Menschen zu spüren.“

Und letztendlich zu führen – weil sie folgen.

Michael Lehofer

MICHAEL LEHOFER studierte Medizin an der Universität Graz und Psychologie an der Universität Salzburg. Es folgte die Ausbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Neurologie (bzw. medizinische Psychotherapie) an den Universitätskliniken Innsbruck und Graz. Er habilitierte 1997 an der psychiatrischen Universitätsklinik Graz. Im selben Jahr übernahm er die Leitung der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie 1 an der Landesnervenklinik Sigmund Freud, 2004 wurde er zum Universitätsprofessor bestellt. Seit August 2008 ist Lehofer ärztlicher Leiter der Landesnervenklinik Sigmund Freud Graz.